Eine neue Heimat

Mein Mann hatte -als ich ihn kennenlernte- eine Segelyacht in Holland liegen, wo wir jede freie Zeit verbrachten.
Aus gesundheitlichen Gründen mussten wir uns von dem Schiff trennen. Für uns stand fest, wenn wir nicht mehr arbeiten, gehen wir ins "platte Land", nicht weit vom Meer entfernt. Zur Debatte stand damals auch die Ostsee-Küste, jedoch von dort wäre der Weg zu unseren Kindern zu weit gewesen, um sich „mal eben“ zu besuchen. Die südlichen Länder haben mich noch nie so gereizt, dass ich dort mein Leben verbringen möchte, da ich die Hitze nicht so gut vertrage.
Nach Holland wollte ich nicht, so entschieden wir uns für Ostfriesland. Warum gerade Ostfriesland?


Meine älteste Tochter hatte ein altes Haus in Ostfriesland am Dollart gekauft und wollte ihre „Zelte“ in Hagen abbrechen. Sie wusste von unserem Traum, der leider durch meine Erkrankung im Jahr 2007 in weite Ferne gerückt war. Sie fragte uns, ob wir mitkommen wollen, Platz genug sei vorhanden (eine eigene Einliegerwohnung für uns). Das war unsere Chance, die wir zu Zweit alleine wohl nicht umgesetzt hätten. So packten wir unsere Siebensachen, verkauften unser Eigentum und zogen aufs Land.


Aus verschiedenen Gründen war dieses Zusammenleben zum Scheitern verurteilt.
Zudem kamen wir mit der Abgeschiedenheit des absoluten Landlebens nicht zurecht.
Wir hatten weite Wege zum Einkaufen und zum Arzt (jeweils 8 km in verschiedene Richtungen).
In dem Dörfchen gab es nur einen Bäcker (der inzwischen auch geschlossen hat). Hier „wurden die Bürgersteige gar nicht hochgeklappt“, es gab noch nicht einmal eine Kneipe – und die gehört zusammen mit der Kirche doch eigentlich zu jedem Dorf. Nur Stille und Einsamkeit!
Man war absolut auf ein Auto angewiesen und für uns war klar, dass wir hier nicht hingehörten.


So begaben wir uns nach einem Jahr auf die Suche nach einem Ort, der unseren Vorstellungen entsprach und die für uns wichtigen Kriterien bieten konnte. Für uns stand fest: Wenn wir jetzt noch einmal umziehen, dann endgültig. Wir machen keine Kompromisse mehr, alles muss passen. Zudem wollten wir unbedingt im Umkreis (max. 20-30 km) von Leer wohnen, weil
1.) uns diese Gegend besonders gefällt, die Nordsee ist in einer Stunde zu erreichen,
2.) das Seeklima ist hier noch zu spüren (es gibt sogar bis Papenburg -20 km südlich von uns- noch Ebbe und Flut auf der Ems und den Nebenflüssen),
3.) wir uns in die Stadt Leer verliebt haben mit ihren verwinkelten Gassen und den vielen kleinen Geschäften in der Altstadt, dem wunderschönen Hafen mit anschl. Museumshafen, in dem die alten „Pötte“ zu bestaunen sind, der schönen Promenade, und der modernen Neustadt, die sich in ihrer Bauweise dem Baustil der Altstadt angepasst hat,
4.) aber das allerwichtigste für mich war und ist: Ich habe in Leer eine hervorragende onkologische Betreuung gefunden -besser noch als in meiner alten Heimat.


Nachdem wir mehrere Wochen täglich unsere Sightseeing-Touren mit dem Auto unternommen hatten und uns vorab im Internet über die Gemeinden informierten, die für uns infrage kommen würden, entdeckten wir Rhauderfehn.


Rhauderfehn ist eine Flächengemeinde mit fast 18.000 Einwohnern, fast mittig zwischen Leer im Nordosten und Papenburg im Südwesten. Rhauderfehn hat eine für ländliche Gegend besonders gute Infrastruktur mit zahlreichen Schulen (von der Grundschule bis zum Gymnasium), alle Fachärzte sind vertreten und viele Einkaufsmöglichkeiten - vom Discounter bis zum Antik-Geschäft, vom Modegeschäft bis zum Tattoo-Laden, diverse Restaurants runden das Angebot ab
Wir leben in einem Neubaugebiet in einem trocken gelegten Moor -fußläufig ca. 5- 8 Min. vom Zentrum-, aber dennoch ruhig, in einer Sackgasse. Die kleine Straße säumen insgesamt 15 barrierefreie Doppelbungalows sowie 1 ½-stöckige Einfamilienhäuser. Im Mittelpunkt liegt eine Kinderkrippe für bis zu Dreijährige. Ein Einkaufszentrum ist in Sichtweite zu erreichen. Alle Nachbarn kennen sich und praktizieren gelebte Nachbarschaftshilfe, ohne sich einzuengen.
Hinter unserem Haus fließt eine sog. Inwieke, an die unser Garten grenzt. Das hat im Sommer den Vorteil, dass wir keine Probleme mit der Bewässerung haben, denn mein Mann versorgt seine Blumen und Pflanzen durch eine Gartenpumpe mit "Wiekenwasser". Zum Einkaufen kann ich zu Fuß bzw. mit dem Rad fahren. Die Inwieken bieten Lebensraum für Enten, Schwäne, Reiher, verschiedene Fische. Im Sommer sitzen so manche Angler an den Ufern und freuen sich über gute Fänge.


In Rhauderfehn haben sich die Menschen ursprünglich an einem Hauptkanal niedergelassen. Heute ist er nicht mehr beschiffbar, weil inzwischen viele feste Fußgängerbrücken über den Hauptkanal führen.
Die „ideale“ Fehnsiedlung besteht, in den Niederlanden wie in Deutschland, aus einem oder mehreren ins Moor getriebenen, ursprünglich schiffbaren Kanälen, an denen die Siedlerhäuser wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind. Der Fehnkanal, die Hauptwieke diente zunächst zur Entwässerung des Moores, zum Abtransport des Torfes mit getreidelten Schiffen und zur Anfuhr von Baumaterial, Dünger usw. Von der Hauptwieke aus wurden häufig noch Seiten- und Nebenkanäle, die In- und Achterwieken, angelegt. Beiderseits der Kanäle errichteten die Siedler ihre einfachen, einheitlich gebauten Häuser. Die sich oft über Kilometer hinziehenden Reihensiedlungen wirken trotz ihrer Gleichmäßigkeit nicht eintönig.


Papenburg liegt 16 km südwestlich von Rhauderfehn und gehört zum Kreis Emsland.
Papenburg ist bekannt durch die Meyer-Werft, als größter Arbeitgeber der Region. Dort werden die riesigen Kreuzfahrtschiffe gebaut. Wenn diese Schiffe dann die Ems hinunter überführt werden von Papenburg nach Emden und weiter bis Eemshaven/NL , um von dort die ersten Testfahrten in die Nordsee zu unternehmen, stehen die Schaulustigen am Ufer der Ems und staunen. Dieser Anblick ist einfach gigantisch. Von weitem sieht es aus, als wenn ein "Wolkenkratzer" über die grüne Wiese fährt.

Wer in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine eigenen Spuren (Wilhelm Busch)

Kommentare 5

  • Ist doch schön wenn man sagt : " Hier bin ich zu Hause."

  • Danke, ihr Lieben! Ja, wir fühlen uns sehr wohl hier und haben diesen Schritt nicht eine Sekunde bereut. Obwohl wir alles hinter uns gelassen haben, vor allem den kleinen Enkel, aber er kennt es nicht anders und wir freuen uns immer gegenseitig, wenn ein Wiedersehen ansteht. Durch unseren Umzug hat sich tatsächlich auch im Familienkreis "die Spreu vom Weizen" getrennt. Wir haben inzwischen hier viele neue Bekannte gefunden und haben jetzt hier ein größeres soziales Netz als zu Zeiten unserer Berufstätigkeit und im alten Wohnort.

  • mir gefällt es bei euch auch, hagy! und die hauptsache: IHR fühlt euch dort offensichtlich pudelwohl und habt eine neue heimat gefunden! wunderbar! :sun:
    lg, tergea

  • das freut mich für Euch Hagy.....und mir gefällt auch sehr, wo Ihr wohnt!


    Lieben Gruss hierlasse
    Momo

  • Wie ich lese, fühlt ihr euch in eurer neuen Heimat so richtig wohl, liebe Hagy.
    Bei Tante Google habe ich mir das Dorf Rhauderfehn und auch die Stadt Leer angesehen und was ich auf den Bildern sehen kannn gefällt mir.
    Ich wünsche euch noch viele schöne gemeinsame Jahre nicht weit von der Nordsee.
    Liebe Grüße
    Sheera